Auf a Wort im Achental mit Brigitte Schmitz
Brigitte Schmitz ist seit Oktober 2022 Quartiersmanagerin für die Gemeinden Marquartstein und Unterwössen. Die studierte Soziologin bringt langjährige Erfahrung aus der kommunalen Wohnungswirtschaft und Bürgerarbeit mit. Ihre Aufgabe: Menschen im Alter mit Unterstützungsbedarf ein selbstbestimmtes Leben im gewohnten Umfeld zu ermöglichen. Gemeinsam mit den Gemeinden und lokalen Akteuren gestaltet sie ein stabiles Netzwerk an Hilfen, Begegnungsmöglichkeiten und Beratung – alltagsnah, bedarfsorientiert und offen für alle.
Ein zentraler Baustein dieser Arbeit ist seit 2024 der neue Treffpunkt M im Herzen von Marquartstein: Ein Ort zum Ankommen, Austauschen, Fragen, Reden – und um Unterstützung zu finden. Was dort genau passiert, was hinter dem Konzept „Quartiersmanagement“ steckt und warum diese Arbeit so wichtig für unsere Region ist, erzählt Brigitte Schmitz uns im ‚Auf a Wort im Achental“ Interview, das wir mit ihr Anfang Juni 2025 in der Tourist Info im Alten Bad geführt haben.
Dieses Interview gibt es auch als Podcast zum Anhören:
Du bist Quartiersmanagerin in Marquartstein und Unterwössen – was genau kann man sich unter diesem Beruf vorstellen?
Manche Gäste denken, ‚Quartiersmanagement‘ hätte was mit Unterkunftvermittlung zu tun. Das Wort ‚Quartier‘ kommt tatsächlich aus dem städtischen Umfeld, wo ein Quartier ein Stadtviertel ist oder in Berlin und Hamburg auch der ‚Kiez‘. Wenn wir in Marquartstein von Quartiersmanagement sprechen, bezieht sich ‚Quartier‘ auf die gesamte Gemeinde. Die Arbeit im Quartier bezieht sich auf die Arbeit im lebensnahen Umfeld der Menschen. Unsere Aufgabe ist, das Lebensumfeld so zu gestalten, dass die Menschen hier gut alt werden können. Das Quartiersmanagement ist ein Angebot der Gemeinden Marquartstein und Unterwössen, gefördert vom Freistaat Bayern.
Ab welchem Alter kommen die Menschen zu Euch?
Es gibt keine feste Altersgrenze nach unten. Von Seniorinnen und Senioren reden wir in der Regel bei Menschen jenseits der Berufstätigkeit. Wir sind aber auch Ansprechpartner für Angehörige von Senioren, die Rat suchen für zukünftige Veränderungen der Lebenswelt ihrer Angehörigen.
Seit 2024 gibt es den Treffpunkt M in Marquartstein. Was erwartet die Menschen dort? Wer kann vorbeikommen? Und wie wird das Angebot angenommen?
In Unterwössen gibt es ja schon lange den Wössner Regenbogen, mit dem wir sehr gut und eng zusammenarbeiten. Dort gibt es schon eine Vielzahl an hervorragenden Angeboten. In Marquartstein war es uns wichtig, ein niedrigschwelliges Angebot mit Räumen im Herzen der Gemeinde zu finden.
Je offener die Räume sind und je mehr von außen einzusehen ist, was wir anbieten, umso eher kommen die Menschen zu uns. Zu uns kann jeder kommen, wenn auch unser Fokus auf den Senioren liegt. Mir ist aber auch wichtig, generationenübergreifende Begegnungen zu schaffen. Da haben alle was davon.
Was bieten wir an? Allgemeine Beratungsangebote, Themenschwerpunkte wie aktuell Demenzberatung für Angehörige, Kaffee- und Spieletreffs. Ganz wichtig aber: Wir stellen die Räume zur Verfügung für Angebote, die aus den Reihen unserer Besucherinnen und Besucher kommen. Also, wenn jemand eine Idee hat und ein Thema anbieten möchte, versuchen wir das zusammen umzusetzen. Ein Beispiel: Ein Herr hatte die Idee, einen Radltreff zu initiieren. Die Idee fanden wir gut. Wir haben den Termin dann über unsere Kanäle beworben. Es kamen sofort genügend Interessierte zusammen. So besteht der Radltreff von Anfang an, genau wie der Englisch-Treff (Let’s Talk English‘), der alle zwei Wochen stattfindet. Wir sind auch immer offen für neue Ideen und Anregungen.
Es entstehen so schöne Begegnungen.
Warum ist es so wichtig, solche Treffpunkte und Strukturen zu schaffen?
Es gibt hier bei uns auf dem Land schon viele Vereine, die Menschen auch im Alter zusammenbringen und einbinden. Das ist wunderbar. Aber es braucht auch Angebote für Menschen, die nicht im Verein eingebunden sind, weil es gerade hier am Schulstandort Marquartstein auch viele Zugereiste gibt, die vielleicht nicht im Verein sind. Somit haben wir ein zusätzliches Angebot geschaffen, wo Menschen sich treffen können, auch erstmal ohne ein bestimmtes Thema. So passiert es manchmal, dass Menschen sich treffen die sagen: Mensch, wir hätten uns ohne euch nie kennengelernt.
Wir arbeiten aber auch sehr gerne mit den Vereinen zusammen. Aktuell möchte ich den Gartenbauverein Marquartstein ausdrücklich erwähnen, die uns gerade die Blumenkübel bepflanzt haben.
Menschen brauchen Orte, zum ‚Zsamm kemma‘. Einsamkeit ist in jedem Alter ein Problem, jenseits der Berufstätigkeit oft noch viel mehr. Was bei uns passiert, ist ein aktives Miteinander. Jeder kann unseren Treffpunkt M aktiv mitgestalten. Es kommen auch 90-jährige, die was anbieten wollen. Darüber sind wir sehr glücklich. Es ist ein gelebtes Miteinander, und die Menschen hier übernehmen Verantwortung füreinander.
Du sprichst von einem selbstbestimmten Leben im Alter. Wie unterstützt Ihr konkret dabei – zum Beispiel, wenn jemand Unterstützung im Alltag braucht, aber nicht ins Heim möchte?
In der Tat bin ich da gerne die erste Anlaufstelle. Ich weiß auch nicht alles, weiß aber wo welche Hilfe zu finden ist. So arbeiten wir z.B. eng mit dem Pflegestützpunkt in Traunstein zusammen, die auch zu Infoterminen ins Achental kommen. Ich mache auch Hausbesuche bei Menschen, die nicht mehr zu mir kommen können. Und ich berate telefonisch Kinder von Menschen hier bei uns, die nicht mehr hier leben und Unterstützung für die Eltern auf die Beine stellen wollen. Manchmal ist es nur so, dass die Menschen jemanden brauchen, der ihnen zuhört und versteht.
Wenn ich jemanden kenne, der vielleicht einsam ist, Hilfe braucht oder einfach Anschluss sucht – kann ich den einfach zum Treffpunkt M schicken? Und wie kann man Euch erreichen?
Gerne einfach vorbeikommen, wenn ich da bin. Das Quartierbüro befindet sich im Treffpunkt M, Staudacher Straße 8 in Marquartstein.
Festnetz: 08641-6974475
Email: brigitte.schmitz@marquartstein.de
Da ich nicht immer vor Ort bin, gerne vorab einen Termin vereinbaren. Ich antworte jedem, der sich bei mir meldet.
Hast du ein Gefühl dafür, wie viele Begegnungen ihr seit Bestehen ermöglicht habt?
Ich kann leider keine Statistik führen. Das ist zu viel bürokratischer Aufwand. Was ich sagen kann, wie viele Menschen an unseren Gruppen teilgenommen haben, da sie sich in Listen eintragen. Im Mai 2025 habe ich zusammengezählt, wie viele das seit unserer Eröffnung waren. Ich bin sehr stolz darauf, dass es 3400 Menschen waren, mehr als Marquartstein Bürger hat.
Und noch ein ganz großes Lob an alle Ehrenamtliche, die mithelfen. Ohne euch würde das hier nicht funktionieren. Ich freue mich immer über weitere Freiwillige, die mitmachen wollen.
Was bedeutet für dich Heimat?
Heimat ist für mich ein Gefühl. Ein Gefühl von Zugehörigkeit, mit Menschen zusammen sein, zu denen ich mich zugehörig fühle. Auch ein Ort und Landschaften können ein Heimatgefühl auslösen. Die Landschaft hier löst bei mir ein Heimatgefühl aus. Wahrscheinlich hängt es damit zusammen, dass wir in meiner frühen Kindheit immer Urlaub in den Bergen gemacht haben. Dann habe ich auch noch ein Bild im Kopf: Es ist das Bild eines Gartens mit einem langen Tisch mit Menschen, Essen und Getränken. Es war der Garten meiner Großeltern, der Heimatgefühle in mir weckt.
Was ist für dich „Typisch Achental“?
Ich wohne leider nicht hier. Ich komme morgens zur Arbeit aus der Ecke Rosenheim und fahre auf die Berge zu. Die Ache, die Berge, die sich nach Norden öffnen – es ist diese vielseitige Landschaft, die für mich das Achental ausmachen. Achental bedeutet für mich auch die Vielfalt der Menschen hier. Und ich mag das so, wenn mir die Kinder auf der Strasse ein fröhliches ‘Grias di’ zurufen.
Wo ist dein Lieblingsplatz im Achental und warum?
Wenn ich es irgendwie schaffe und das Wetter es zulässt, dann bin ich in der Mittagspause gerne an der Ache. Oder in Unterwössen hinter dem Rathaus am Wössner Bach. Ein anderer Lieblingsplatz ist tatsächlich mein Arbeitsplatz – der Treffpunkt M.
Welches ist dein liebster Brauch oder deine liebste Tradition?
Ich mag gerne das St. Martinsfest. In meiner alten Heimat am Niederrhein wird das ganz gross gefeiert.
Was ist ein perfekter Tag für dich im Achental?
Wenn so richtig viel los ist bei uns und die Menschen mit einem Lächeln im Gesicht gehen und sagen: ‘Des war schee bei euch’ – das ist ein perfekter (Arbeits)-Tag für mich.
Welches ist dein bayerisches Lieblingswort? Und was bedeutet es?
Ich mag gerne die Redensart ‘Das taugt mir.’
Kurze Fragen zu Kulinarik in Bayern:
Bosna oder Weißwurst? Weisswurst
Leberknödel oder Spinatknödel? Spinatknödel
Schweinsbraten oder Chiemseerenke? Chiemseerenke
Berggehen oder Bergradeln? Berggehen
Berggipfel oder Bergsee? Berggipfel
Alpinski oder Nordicski? Alpinski
Was ist dein Lebensmotto?
Ich habe nicht das EINE Lebensmotto. Ich mag gerne diese Drei hier:
“Für Neues ist es nie zu spät.”
Dann ein Zitat aus dem Rheinland von Konrad Adenauer:
“Nehmen Se de Menschen, wie se sind. Andere jibt et nich.”
Und -das gilt im Rheinland und in Bayern-: Leben und leben lassen.