Auf a Wort im Achental mit Stefan Grafetstetter: „Das Schwammerl suchen hat bei uns im Achental eine lange Tradition.”
Stefan Grafetstetter aus Staudach-Egerndach ist bekannt als ‚Schwammalking‘. Sein großes Hobby sind Schwammerl – Pilze suchen, bestimmen und fotografieren. Auf Instagram teilt er seine Funde als @schwammalking. Aktuell absolviert er eine Ausbildung zum zertifizierten Pilzberater. Künftig will er nicht nur Pilzlehrwanderungen anbieten, sondern auch Gäste und Einheimische beraten, die sich unsicher sind, ob ihre gesammelten Pilze essbar sind.
Dieses Interview gibt es auch als Podcast zum Anhören:
Wie kam es dazu, dass das Pilze sammeln dein Hobby wurde?
Schon als Kind bin ich mit dem Papa und der Oma ‚in die Schwammerln‘ gegangen.
Später sind wir dann an den Achberg gezogen und der Wald lag direkt vor der Tür. Wir waren dort viel unterwegs und das Interesse wurde größer. Seit mehr als 10 Jahren beschäftige ich mich jetzt intensiv mit dem Thema.
Wann ist im Achental Hauptsaison für Pilze und gibt es auch außerhalb dieser Zeit interessante Arten zu entdecken?
Die Hauptsaison geht von August bis Oktober, aber Schwammerl kann man das ganze Jahr über finden. Im März und April gibt es exzellente Speisepilze, die Morcheln oder wie man im Achental sagt „Mauracher“. Das ist ein Ausdruck, den es nur in unserer Region gibt. Im Mai kommen dann die ersten Röhrlinge, im Juli oft schon große Mengen Pfifferlinge. Nach der Hauptsaison kommen Ende Oktober die seltenen, bunten Wiesenpilze. Nach dem ersten Frost und über den ganzen Winter, kann man diverse Baumpilze erforschen und man findet auch Speisepilze, z.B. den Austernseitling.
Welche essbaren Pilze kommen in unserer Region besonders häufig vor und woran erkennt man mögliche giftige Doppelgänger?
Steinpilze, Reizker und Reherl (Pfifferlinge) kommen sehr häufig vor. Beim Steinpilz ist der Verwechslungspartner der Gallenröhrling, der zwar nicht giftig ist, aber so bitter, dass er die ganze Suppe verdirbt. Er hat ein braunes Netz am Stiel, beim Steinpilz ist das Netz weiß. Der Gallenröhrling hat cremefarbene, im Alter rosa Poren, der Steinpilz hat weiße, im Alter grüne Poren. Bei den meisten Pilzsuchern sind die Poren als Schwamm bekannt.
Das Wichtigste ist allerdings, nicht die Speisepilze, sondern vor allem die tödlich giftigen Pilze wie den grünen Knollenblätterpilz oder den spitzgebuckelten Raukopf zu erkennen.
Wie putzt man Pilze richtig?
Es kommt immer darauf an, welchen Pilz man hat. Bei einem Steinpilz gehe ich mit einer groben Bürste drüber. Bei Pfifferlingen gibt es einen besonderen Trick, den ich in einem Wirtshaus gelernt habe: Man wälzt die Pfifferlinge mit allem, was dran ist in Mehl und rührt sie richtig schön durch. Dann gibt man sie in ein Wasserbad, das Mehl bindet den Dreck und wenn man das Wasser abschüttet, dann sind die Pfifferlinge ganz sauber. Parasole z.B. sollte man nicht mit Wasser waschen, die saugen sich schnell voll.
Welche Tipps hast du für die Zubereitung?
Ich vermeide Sahne, die ist zu schwer verdaulich. Auch gehe ich sparsam mit Öl und Fett um. Ansonsten habe ich zwei Pilzkochbücher, aus denen ich koche. Das beste Pilzgericht ist für mich ein ‚Pilzschnitzel‘, es toppt vom Aroma jedes Kalbsschnitzel.
Was sind ideale Plätze und Bedingungen, um Schwammerl bei uns zu entdecken?
Schwammerl kann man überall finden, wo intensive Landwirtschaft vermieden wird. Auf Almwiesen, in Parks, in Wäldern, am Wegrand, im eigenen Garten. Wenn man die Augen offen hält, wird man bei jedem Spaziergang einen Pilz entdecken. Das Wichtigste für das Pilzwachstum ist Regen. Der Mond hat keinen Einfluss auf das Steinpilzwachstum.
Gibt es im Achental Pilze, die unter Naturschutz stehen oder nur sehr selten vorkommen?
Da gibt es einige. Unsere beweideten Almwiesen, die von den Almbauern so hervorragend gepflegt werden, sind ein Paradies für seltene Wiesenpilze. Durch die intensive Landwirtschaft im Tal, geht deren Lebensraum leider immer mehr verloren. Auch Arten, die auf Tannen angewiesen sind, gibt es bei uns häufiger, während sie in den meisten Teilen Deutschlands selten, bzw. nicht vorhanden sind.
Lasst Pilze, die ihr nicht kennt, bitte stehen, damit sie aussporen und sich weiter verbreiten können. Bitte achtet auch Naturschutzgebiete, wie den Geigelstein oder die Kendlmühlfilze und geht dort nicht zum Pilze sammeln. Und nehmt nur so viel Pilze mit, wie ihr zuhause verarbeiten könnt. Richtwert 1kg pro Person und Tag.
Viele Sammlerinnen und Sammler sind sich nach dem Fund unsicher: Wo können sie im Achental eine fachkundige Beratung erhalten und wie unterstützt Du als angehender Pilzberater dabei?
Zuerst gilt, nur essen was man 100%ig bestimmen kann. Wenn man sich auch nur ein kleines bisschen unsicher ist, lieber wegwerfen oder bei einem Pilzberater um Rat fragen. Keine Pilzmahlzeit ist einen Krankhausaufenthalt wert.
Um sein Wissen zu erweitern, empfiehlt es sich an einer Pilzlehrwanderung teilzunehmen. (z.B. bei mir demnächst über den Achental Tourismus)
Rund um das Thema Pilze gibt es zahlreiche Mythen, etwa, dass man Pilze nicht aufwärmen dürfe oder dass ein Silberlöffel beim Kochen Giftstoffe anzeigt. Was davon stimmt tatsächlich und was ist reiner Irrglaube?
Ein Schwammerlgericht kann man am nächsten Tag einwandfrei essen, vorausgesetzt es war kühl gelagert und wird nochmal richtig durcherhitzt und nicht nur aufgewärmt. Bitte nehmt auch nur frische Schwammerl, überständige Schwammerl können zu schweren Lebensmittelvergiftungen führen und schmecken meist auch nicht mehr.
Es gibt keine Regel, nach der die Essbarkeit von Schwammerl erkennbar ist. Man muss jede Art individuell sicher bestimmen können! Eine Schnecke kann einen grünen Knollenblätterpilz ohne Probleme essen, einem Menschen zerstört er lebensgefährlich die Leber.
Was bedeutet für dich Heimat?
Mir verschafft ein schönes Gefühl von Heimat, das gepflegte Duzen, wie es im Achental üblich ist. Es verbindet die Menschen hier. Ein „Sie“ schafft immer eine gewisse Distanz.
Was ist für dich „Typisch Achental“?
Die Vereine, die Feste organisieren, sich für den Erhalt der Kultur und für die Jugendförderung einsetzen. Aber natürlich auch unsere einmalige Landschaft.
Wo ist dein Lieblingsplatz im Achental und warum?
Bei uns im Achental ist es einfach überall schön, ob man entlang der Tiroler Achen radelt, durchs Moor spaziert oder auf der Alm und die Berge wandert.
Welches ist dein liebster Brauch oder deine liebste Tradition?
Schwammerl suchen hat bei uns eine lange Tradition. Im Chiemgau gab’s schon im 18. Jahrhundert Pilzexperten, aber auch Speisepilze haben uns seit Kriegszeiten nicht losgelassen. Das ganze drumherum, wenn man jemanden trifft, das aktuelle Pilzvorkommen bespricht oder das Mysterium über die besten Plätze. Das macht einfach Spaß.
Was ist ein perfekter Tag für dich im Achental?
Früh aufstehen, rauf auf den Berg, die Ruhe und die Natur genießen. Ein paar schöne Schwammerl finden und schöne Fotos aufnehmen. Dann ist der Tag perfekt.
Welches ist dein bayerisches Lieblingswort? Und was bedeutet es?
Das ist naheliegend: ‚In d’Schwammal geh‘. Umgangssprachlich kommt Schwammal vom „Schwamm“, also den Röhren die sich unterm Hut eines Röhrlings, wie dem Steinpilz befinden. Der Begriff wird aber nicht nur für Röhrlinge, sondern für alle Pilze verwendet.
Kurze Fragen zu Kulinarik in Bayern:
Bosna oder Weißwurst? Bosna
Leberknödel oder Spinatknödel? Spinatknödel
Schweinsbraten oder Chiemseerenke? Kasspatzn
Berggehen oder Bergradeln? Berggehen
Berggipfel oder Bergsee? Berggipfel
Alpinski oder Nordicski? Snowboard
Was ist dein Lebensmotto?
Ich habe kein Motto, aber am ehesten trifft’s: „Wie man in den Wald hineinschreit, so kommt es auch wieder raus“. Wer freundlich zu anderen ist und anderen Menschen hilft, der wird dasselbe auch zurückbekommen.