Auf a Wort im Achental mit Hubert Reitschuh
Hubert Reitschuh ist Senner auf der Rechenbergalm auf 1160 Metern über Oberwössen. Die Alm ist von Unterwössen und Oberwössen in gut 1,5 Stunden zu erreichen und bietet einen atemberaubenden Blick vom Achental bis zum Kaisergebirge. Gäste und Einheimische haben Hubert Reitschuh im April bei einer gemeinsamen Schwendaktion ehrenamtlich unterstützt, um die Alm für den Almsommer vorzubereiten. Wir haben Hubert zum „Auf a Wort“-Interview zum Start des Almsommers in der Tourist-Info in Unterwössen getroffen.
Dieses Interview gibt es auch als Podcast zum Anhören:
Hubert, du bist seit vielen Jahren Senner – was bedeutet dieser Beruf für dich ganz persönlich?
Man kann dort oben sein, wie man ist. Man braucht sich nicht zu verstellen, man redet bayerisch, man kann alles sagen zu den Gästen – jeder versteht auch mal einen Spaß. Unten im Tal ist alles so genormt, und hier oben kommt es, wie es kommt.
Wenn die Gäste ihr Getränk und ihre Brotzeit haben, dann ist alles gut.
Was sind deine wichtigsten Aufgaben als Senner auf der Rechenbergalm – und welche machst du am liebsten?
Das Wichtigste auf der Alm sind immer die Viecher. Wenn eines meiner Viecher krank oder verletzt ist, dann hat das immer Priorität. Außerdem die Zäune kontrollieren, Disteln mähen und die Almen freihalten von Gestrüpp.
18 Jahre lang hatte ich Milchkühe, die ich immer morgens und abends melken musste. Diese Saison habe ich leider keine Milchkühe mehr – das ist für eine Person einfach zu viel oben auf der Alm. In dieser Saison habe ich 70 Jungrinder in drei Gruppen.
Da gilt es immer die Wasserversorgung zu kontrollieren. Um den 10. bis 15. Mai kommen die Jungrinder auf die Alm zu mir.
Die Alm gehört seit 1898 dem Rinderzuchtverband Traunstein. Jeder Bauer, der Mitglied ist beim Zuchtverband, kann Rinder rauf tun. Dieses Jahr bestoßen 15 Bauern aus dem Zuchtgebiet die Alm. Sie bringen ihre Rinder mit dem Traktor hoch zu mir – und in der Regel auch wieder runter.
Letztes Jahr im September, als der Schnee so früh kam, musste ich die Rinder runtertreiben bis zum Parkplatz, da man mit dem Auto nicht mehr auf die Alm kam.
Welche Produkte stellst du direkt auf der Alm her – und was davon kommt bei den Gästen besonders gut an?
Käse und Butter habe ich immer selbst gemacht. In diesem Jahr erstmals nicht mehr. Ich hole den Käse in der Sennerei Danzl in Kössen – das ist auch ein Bio-Heumilchkäse und sehr gut.
Was sind denn die kulinarischen Publikumslieblinge auf deiner Alm?
Alle wünschen sich einen Kaiserschmarrn, aber den bringe ich allein nicht auf den Tisch – da brauchst du eine zweite Person. Kuchen ist alleweil immer gefragt. Den backe ich auch selbst.
Eierlikörkuchen wird immer gegessen. Den Rotweinkuchen mag ich am liebsten, aber da sagen die Gäste oft, der schmeckt ihnen im Sommer nicht so gut, weil Zimt drin ist. Im Sommer kommt auch gut der Zitronenkuchen an.
Neben den Kuchen fragen die Gäste auch immer nach Buttermilch.
Was macht für dich einen guten Gastgeber aus – was sollen deine Gäste spüren, wenn sie bei dir einkehren?
Ich versuche immer, mit jedem Gast kurz ins Gespräch zu kommen. Ich bediene am Tisch und mag nicht nur den ganzen Tag in der Hütte stehen. Ich mag es raus zu den Gästen zu gehen.
Ich setze mich zum Bezahlen gerne zu den Gästen und frage immer, wo sie herkommen, wie lange sie bei uns Urlaub machen und wo sie einquartiert sind.
Es entstehen so oft interessante Gespräche. Wenn viel los ist, geht das nicht immer. Aber „a bisserl was“ geht schon immer.
Wie lange bist du schon Senner – und wie viele Sommer hast du bereits auf der Rechenbergalm verbracht?
Heuer sind es 20 Jahre – 11 Jahre war ich am Jochberg und jetzt im 9. Jahr auf der Rechenbergalm.
Ich wollte eigentlich nach der Jochbergalm was anderes machen. Aber Leni, die vorherige Sennerin der Rechenbergalm, hat mich überredet, zu ihr auf die Alm zu kommen, weil sie es allein nicht mehr geschafft hat. Nach ihrem Tod bin ich dann dort „hängengeblieben“.
Genießt du die Ruhe, wenn abends die letzten Gäste im Tal sind?
Dann stehen die Arbeiten an, zu denen ich tagsüber nicht komme. Wenn schönes Wetter ist, bin ich draußen beschäftigt, bis es dunkel wird. Langweilig wird es nie.
Wann beginnt die Almsaison bei dir – und wann geht’s wieder runter ins Tal?
Normal geht die Saison im Mai los. Heuer habe ich früher aufgemacht, weil die Osterferien so spät waren und das Wetter gepasst hat. Ich war eh oben beim Schwenden, Zäune aufstellen und Vorbereiten der Alm.
Früher durfte erst eine Woche bevor die Viecher hochkamen, ausgeschenkt werden. In den letzten 10–15 Jahren hat sich das gelockert, weil die Gäste auch schon eher berggehen und einkehren möchten. Diese strikte Regelung gibt es jetzt nicht mehr.
Darum bleibe ich auch im November noch oben. Dann ist es oft im Tal neblig, und bei mir oben ist schönstes Sonnenwetter. Vor Mittag kommt dann auch niemand und am frühen Nachmittag gehen die Wanderer wieder runter.
Und was machst du eigentlich im „Almwinter“, wenn oben Ruhe einkehrt?
Im Winter arbeite ich als Betriebshelfer beim Maschinenring. Ich unterstütze die Bauern im Landkreis, wenn im Stall jemand krankheitsbedingt ausfällt.
Was bedeutet für dich Heimat?
Heimat bedeutet für mich: reden, wie mir der Mund gewachsen ist – bayerisch, unverfälscht, Tracht – ich bin ja beim Trachtenverein schon ewig – und die bayerische Musik. Der Radiosender „BR Heimat“ läuft bei mir oben von morgens bis abends.
Was ist für dich „typisch Achental“?
Typisch Achental ist für mich dieses Bild, wenn ich aus Teisendorf komme, wo ich lebe, und bei Grabenstätt von der Autobahn abfahre. Dann fahre ich ins Tal rein und sehe die Berge, die Wälder und die Gewässer. Es ist einfach ein sehr schönes Tal.
Wo ist dein Lieblingsplatz im Achental und warum?
Mein Lieblingsplatz ist auf meiner Alm. Bei schönem Wetter ist es am schönsten da oben.
Welches ist dein liebster Brauch oder deine liebste Tradition?
Wenn ich am Sonntagmorgen aus Oberwössen die Kirchglocken höre und weiß: Die Leute gehen jetzt in die Kirche. Das sind für mich auch Kindheitserinnerungen – am Sonntagmorgen der Kirchgang.
An Fronleichnam höre ich auch die Böllerschützen oben und sehe dann unten im Ort die Fronleichnamsprozession.
Manchmal höre ich bei den Standkonzerten auch die Musikkapellen aus dem Ort bis oben auf meine Alm.
Was ist ein perfekter Tag für dich im Achental?
Wenn das Wetter passt und die Leute freundlich sind auf der Alm. Und wenn mit den Viechern alles passt.
Welches ist dein bayerisches Lieblingswort? Und was bedeutet es?
Ich habe kein bayerisches Lieblingswort. Ich sage immer das, was ich gerade denke.
Kurze Fragen zur Kulinarik in Bayern:
Bosna oder Weißwurst?
Beides
Leberknödel oder Spinatknödel?
Leberknödel
Schweinsbraten oder Chiemseerenke?
Schweinsbraten
Berggehen oder Bergradeln?
Berggehen oder E-Bike
Berggipfel oder Bergsee?
Bergsee
Alpinski oder Nordicski?
Weder noch, mittlerweile
Was ist dein Lebensmotto?
„Scheiß dir nix, dann feit dir nix.“ Sei einfach so, wie du bist.