Geigelstoa Pass Schleching- Furchteinflößende Gestalten und gelebte Tradition

Es ist Brauch und bis heute feste Tradition in alpenländischen Gebieten, dass der Heilige Nikolaus in einigen Nächten im Advent von Haus zu Haus zieht. Er hört sich Gebete, Gedichte und Lieder der Kinder an, liest aus einem goldenen Buch ihre guten und schlechten Taten vor und beschenkt sie mit Kleinigkeiten.

Begleitet wird der Heilige Nikolaus immer von ca. 2-4 Engeln und von Schreckensgestalten wie den Gangerln und den ‚Krampein‘ (Krampussen). Die Krampusse vertreiben dabei das Unheil. Der Nikolaus ist die Hauptfigur – die ganze Gruppe nennt man ‚Pass‘. Der Geigelstoa Pass hat seinen Namen vom heimischen Geigelstein in Schleching, der mit 1808 m der höchste Berg im Achental ist. Wir haben uns mit Simon Pletschacher, dem 2. Vorsitzenden der Geigelstoa Pass aus Schleching über den Krampus-Brauch unterhalten.

Seit wann gibt es die Gruppe ‚Geigelstoa Pass‘?

In Schleching ist das Einkehren des Nikolaus am 5. Dezember schon sehr lange Brauch. Begleitet wurde er immer von einem Krampus (Krampei). Im Laufe der Jahre wurden die Krampusse mehr und die Kostüme weiterentwickelt. Das Interesse der jungen Leute am Krampus-Brauchtum nahm im Laufe der Jahre zu. Und so wurde in 2004 der gemeinnützige Verein ‚Geigelstoa Pass‘ gegründet. Sie zeigten sich erstmal mit ca. 10 Krampussen auf dem Christkindlmarkt 2004 in Schleching.

 

Mit Nikolaus, Gangerl, Krampusse und Engel sind wir ca. 30 aktive Mitglieder. Dazu kommen viele Helfer hinter den Kulissen – insgesamt sind wir ca. 70 Mitglieder. Hubert Zaiser jun., 1. Vorstand und ich sind zusammen die neue Vorstandschaft.

 

Was genau passiert rund um den Termin des Schlechinger Christkindlmarktes am 2. Advent?

Los geht es in 2022 mit den Dorfläufen am 25. November um 15.00 Uhr in Raiten und am 26. November um 14.00 Uhr in Schleching. Die Geigelstoa Pass geht dabei von Haus zu Haus und bringt den Brauch und vorweihnachtlichen Haus-Segen zu den Leuten. Dabei besuchen wir Bauernhöfe, Gasthäuser und Häuser von Freunden. Am 5. und 6. Dezember gehen wir in Schleching von Haus zu Haus.
Dann sind wir auf dem Christkindlmarkt in Schleching auch mit einem Stand vertreten.

Kann man einen Hausbesuch anfragen? Und wenn ja, bei wem?

Eltern können sich dazu bei uns über unsere Website (www.geigelstoa-pass.de), Instagram-Seite oder per WhatsApp melden. Sie teilen uns mit, wie viele Kinder im Haus sind, wie alt die Kinder sind und bestenfalls was wir loben und was wir tadeln sollen. Das Wort hat immer nur der Nikolaus. Die Krampusse gehorchen ihm auf‘s Wort.

Haben die Kinder keine Angst vor den Krampussen?

Bis die Kinder so 10 Jahre alt sind, glauben sie wirklich daran, dass die Krampusse mystische Gestalten sind. Als wir Kinder waren, galt es immer auch als Mutprobe, beim Dorflauf in der ersten Reihe zu stehen. Wir haben versucht, unsere Angst zu verstecken und nicht wegzulaufen. Später wollten wir herauszufinden, wer hinter den gruseligen Masken steckt. Denn das bleibt immer ein Geheimnis – die Masken werden in der Öffentlichkeit nie abgenommen.

Bei den Hausbesuchen bleiben wir meistens draußen und läuten nur am Fenster mit den Glocken. Bei kleinen Kindern im Haus sind wir natürlich ganz zurückhaltend. Ganz wichtig ist uns: Wir wollen den Kindern eine Freude bereiten.

Wann fangt ihr mit den Vorbereitungen an?

Heuer findet erstmals nach der Pandemie wieder alles normal statt. Anfang Oktober haben wir uns zum ersten Mal mit dem Organisations-Team getroffen. Dann wieder Ende Oktober. Das ‚Rutenbinden‘ vor dem ersten Advent ist immer der Auftakt.

Was passiert beim Rutenbinden?

Wir treffen uns an der Ache und sammeln gemeinsam Zweige von Weidensträuchern. Daraus flechten wir dann zusammen nach alter Tradition mit ganz bestimmten Zopfmustern die vielen Ruten, die wir für die Adventszeit brauchen. Mit den Ruten verschaffen sich die Krampusse und der Nikolaus zusätzlich Respekt.

Wie schaut so ein Krampei-Kostüm aus und wie schwer ist es?

Wir tragen Masken aus Holz mit Hörnern von Rindern, Ziegen, Steinböcken oder Widdern. Gehüllt sind wir in Fellkostüme. Um die Hüften tragen wir große Glocken, mit denen wir die bösen Geister vertreiben. So ein Krampus-Kostüm kann bis zu 25 KG schwer sein.

Wo werden die kunstvollen Masken und die Kostüme gefertigt?

Die Masken werden mittlerweile vom Maskenschnitzer Alois Kronthaler in Erl (Tirol) gefertigt. Die maßgeschneiderten Ziegen- und Schaffelanzüge kommen von der Gerberei Trenkwalder in Itter. Einige Burschen nähen sich ihre Gewänder auch selber.

Ab wann kann man als Krampus mit dabei sein?

Die Jung-Anwärter sind ab 14 Jahre dabei. Ab 16 Jahren kann man als Krampus mitlaufen.

Welche Bedeutung haben Brauchtum und Tradition in eurer Generation?

Erfreulicherweise begeistern sich viele junge Menschen bei uns im Achental für Brauchtum und Tradition. Wir haben auch eine riesige Gaudi zusammen und ein starkes Wir-Gefühl. Wichtig ist uns, dass wir keine Angst oder Schrecken verbreiten wollen, sondern Freude bereiten möchten. Wir sind alle gut miteinander befreundet. Gleichzeitig wollen wir auch Jahrhunderte alte Traditionen aus unserer Region gerne an Einheimische und Gäste weitergeben.

Werden die Traditionen in den Familien weitergegeben?

Unbedingt. Seit diesem Jahr haben der Hubert Zaiser und ich Vorstandschaft von den Gründern übernommen. Wir beide haben die Geigelstoa Pass schon als Kinder erlebt und haben mitgemacht. Wir freuen uns sehr, wenn die nächste Generation der Krampei und Engel bald bei uns mitmachen kann.

Wie finanziert ihr euch:

Wir sind gemeinnützig und finanzieren uns durch unsere Aktivitäten wie den Dorflauf mit Verkaufsstand, den Christklindl-Markt mit Verkaufsstand und die Spenden bei den Hausbesuchen. Auf dem Christkindlmarkt in Schleching am 2. Advent verkaufen wir erstmals ein Krampus-Starter-Paket mit Glocke, Fellstück und Rutenmaterial. Da wir keinen Gewinn machen dürfen, spenden wir auch immer an soziale Projekte im Chiemgau.

Was macht das Achental für euch besonders?

Das Achental ist unsere Heimat. Hier sind wir aufgewachsen, do san mia dahoam. Wir dürfen dort wohnen, wo andere Urlaub machen. Bodenständigkeit, Verwurzelung und Tradition sind Werte, die uns und unsere Region seit Jahrhunderten maßgeblich prägen.
Diese Werte werden uns von Kindheit an vermittelt.
Durch unser Nikolaus- und Krampusbrauchtum geben wir den Menschen gerne unsere Traditionen und Brauchtum in der Vorweihnachtszeit in der Region im Achental näher.